Dienstag, 17. November 2015

Von Erstklässlern, Deliktunfähigkeit und Aufsichtspflichtverletzung...

Etwas mehr als 700.000 Kinder werden jedes Jahr in Deutschland eingeschult. Die meisten davon sind sechs Jahre alt und haben damit eins gemeinsam: Sie sind deliktunfähig!
Nach § 828 BGB können Sie daher für Schäden, die sie anderen zufügen, nicht verantwortlich gemacht werden.

In diesen ersten Lebensjahren sind die Eltern verstärkt in der Aufsichtpflicht. Vernachlässigen Sie diese und kommt es zu einem Schaden, haften die Eltern im Rahmen der Aufsichtspflichtverletzung. Haben die Eltern aber dem Alter und der Entwicklung des Kindes entsprechend gut aufgepasst, dann kommt niemand für die Regulierung auf, da es keine rechtliche Grundlage für eine Schadensersatzleistung gibt.
Nun gehen Schüler aber fünf Tage die Woche ohne ihre Eltern in die Schule. Hier unterstehen sie der Aufsichtspflicht des Lehrpersonals. Während des Unterrichts oder in den Pausen ist es aber unmöglich, dass die Lehrkräfte jegliches Geschehen in der Klasse registrieren und alle potenziellen Gefahrenquellen ausschließen. So hat wohl schon jede Schülergeneration Freude daran gefunden, Bleistifte mit den Gummihaltern eines Federmäppchens zu verschießen. Evtl. erinnern Sie sich sogar selbst noch daran, wieviel Zug hinter den längeren Schlaufen fürs Lineal steckte. Jedes Jahr werden so aus Versehen Augen von Banknachbarn getroffen, was meist ohne bleibenden Schaden verheilt.

In einigen unglücklichen Fällen bleibt die Sehkraft aber dauerhaft eingeschränkt.
Da stellt sich dann zurecht die Frage, wer nun Schadensersatz leistet.
Das Kind? Nein, das ist deliktunfähig. Die Eltern? Nein, die waren nicht da und hatten ihre Aufsichtspflicht an die Schule übertragen.
Die Lehrkraft? Die hatte gerade was an die Tafel geschrieben, das ist noch keine Aufsichtspflichtverletzung. Es gibt also niemanden, der für den Schaden aufkommen muss. Erweiterungen der Privathaftpflicht für Schäden durch deliktunfähige Kinder gibt es natürlich, sind aber meist auf fünfstellige Summen begrenzt – besser als nichts, aber genügt das für ein Kinderauge?
Dann gibt es noch eine Schulunfallversicherung, die eine monatliche Rente auszahlt, deren Höhe abhängig vom Grad der erlittenen Invalidität ist (das können ein paar Hundert Euro sein). Nur mit einer privaten Kinderunfallversicherung ließe sich ein Kapitalstock absichern, mit dem sich alle erdenklichen finanziellen Folgen für das Kind auch tatsächlich auffangen lassen. Dieser wertvolle Schutz kostet im Verhältnis zum Schutz nicht viel und ist im Fall der Fälle unbezahlbar.

So sieht es der Gesetzgeber:

§ 828 BGB - Minderjährige
(1) Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht
verantwortlich. Ohne diese Regelung könnte sich ein Kind durch eine Dummheit seine gesamte Zukunft verhageln. Das kann nicht im Sinn der Gesellschaft sein.

§ 832 BGB - Haftung des Aufsichtspflichtigen
(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt. Die vertragliche Übernahme gilt auch für Lehrkräfte, die sich ggf. über eine Diensthaftpflichtversicherung absichern können.

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