Es war ein Prestigeprojekt von Arbeitsministerin Ursula von
der Leyen: Selbstständige sollten verpflichtend zur Altersvorsorge gezwungen
werden. Denn viele Unternehmer verdienen nicht genug, um für die Rente zu
sparen, ihnen droht Altersarmut. Doch wie die Financial Times Deutschland in
ihrer Monatsausgabe berichtet, droht der Pflichtrente vorerst das Aus.
Bisher ist es Selbstständigen in Deutschland weitestgehend
frei gestellt, wie sie für ihr Alter vorsorgen. Das Problem: Immer mehr
Selbstständige sparen gar kein Geld für den Lebensabend an, weil sie zu wenig
verdienen. Rund ein Viertel der rund 4,4 Millionen deutschen Unternehmer
erwirtschaftet weniger als 1.100 Euro im Monat, 125.000 davon sind zusätzlich
auf Hartz IV angewiesen. An eine vernünftige Alterssicherung ist dabei kaum zu
denken.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wollte
diesen Zustand beenden, indem sie Selbstständige gesetzlich zur Altersvorsorge
zwingt. Doch die Pläne scheinen vorerst vom Tisch. Ein Sprecher des
Bundesarbeitsministeriums sagte der FTD, man wolle erst eine für September
angekündigte Machbarkeitsstudie abwarten. Damit ist es unwahrscheinlich, dass
ein Zwang zur Altersvorsorge für selbstständige Unternehmer noch vor der
Bundestagswahl im September 2013 beschlossen werden kann.
Rechtliche Bedenken
gegen eine Pflichtversicherung
Erstmals hatte Ursula von der Leyen ihr Vorhaben im Frühjahr
vorgestellt. Sie begründete die Notwendigkeit einer Pflichtvorsorge damit, dass
das Risiko der Altersarmut nicht auf die Gesellschaft abgewälzt werden dürfe.
Denn Anspruch auf Sozialleistungen im Alter haben Selbstständige auch dann,
wenn sie nicht in die Rentenkasse eingezahlt haben.
Doch nun gibt es offenbar rechtliche Probleme mit dem
komplizierten Regelwerk. Den Selbstständigen sollte es weitgehend freigestellt
bleiben, wie sie für ihr Alter vorsorgen – ob sie eine private oder gesetzliche
Rentenversicherung abschließen, eine Immobilie erwerben oder eine
Lebensversicherung zeichnen. Unter anderem muss die Regierung klären lassen,
wer schon eine Alterssicherung hat und worin diese überhaupt besteht – Bislang
sei noch nicht einmal klar, wie viele Menschen von der Pflichtrente betroffen
wären.
„Es ist noch ein Stück Weg hin, bis man gesetzgeberisch tätig
werden kann“, sagte der sozialpolitische Sprecher der FDP, Heinrich Kolb,
gegenüber der FTD. Nachdem das Gutachten im September vorliegt, wolle sich
seine Partei auf einem Fraktionskongress mit dem Thema befassen. An der
Notwendigkeit einer verpflichtenden Vorsorge hielt Kolb jedoch fest.
Grundsätzlich gelte: „Was der Staat von abhängig Beschäftigten verlangt, kann
er auch von Selbstständigen erwarten."
Widerstand von Seiten der Unternehmer: Rentenpflicht
erschwert Existenzgründungen
Doch nicht nur rechtliche Bedenken machten Ursula von der
Leyen das Leben schwer. Sie erfuhr auch massiven Widerstand von Seiten der
Unternehmer. Das Problem: Nicht wenige Freiberufler verdienen um die 1.000 Euro
im Monat – Nach den Plänen des Arbeitsministeriums müssten sie fortan bis zu
300 Euro monatlich für ihre Alterssicherung zahlen. Viele Unternehmer sehen
sich in ihrer Existenz bedroht, sie müssten ihre selbstständige Tätigkeit
aufgeben und würden wohl direkt in die Arbeitslosigkeit abrutschen. Eine
Online-Petition gegen die Pflicht zur Altersvorsorge unterzeichneten
mittlerweile über 80.000 Menschen.
In dem Begründungstext argumentierten die Gegner der
Rentenpflicht, vor allem für junge Unternehmer würden deutliche Mehrbelastungen
entstehen, so dass sich das Gesetz als Totengräber für Existenzgründungen
entwickeln könnte. Neugründungen von Unternehmen würden "massiv erschwert,
da sich in den ersten Monaten oder Jahren das Geschäft oft erst entwickeln muss
und ein Leben von den Erträgen ohnehin schwer möglich ist. Der Schritt in die
Selbstständigkeit wäre dadurch mit einer nicht unerheblichen zusätzlichen
finanziellen Belastung belegt - viele werden ihn deshalb gar nicht mehr
wagen." Jungen Gründern sei damit die Möglichkeit genommen, sich überhaupt
eine Existenz aufzubauen, die später eben gerade die Möglichkeit zur
Alterssicherung biete.
Hintergrundinformationen: In Deutschland wächst die Zahl der
Selbstständigen beständig, 2011 waren es rund 4,4 Millionen. Gleichsam steigt
die Zahl der Freiberufler, die von ihrer Arbeit nicht existieren können oder an
der Armutsgrenze leben, rund eine Million Selbstständige verdienen weniger als
1.500 Euro im Monat. Eine einheitliche Regelung für die Altersvorsorge gibt es
für Selbstständige nicht: Publizisten, Hebammen und Handwerker sind in der
gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Ärzte, Architekten und
Steuerberater organisieren sich in Kammern. Für diese Berufsgruppen sehen die
Rentenpläne der Arbeitsministerin keine Änderung vor.
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